Diejenigen, die Geisteswissenschaften studieren oder vorhaben es zu tun, werden bestimmt schon folgenden Satz gehört haben, nachdem ihr von eurem Studium oder Studiumsplänen erzählt habt:
Und was machst du dann damit?
Dieser Satz begleitet mich nun seit sieben Jahren und hatte am Anfang noch sehr viel bei mir ausgelöst – mal Unsicherheit, mal Genervtsein, mal den Wunsch, mich einfach am liebsten in so einem Gespräch magisch an einen anderen Ort zu beamen. Heute habe ich den Satz schon so oft gehört, dass er mich nicht mehr stört und ich die Frage für mich einfach als Bekunden von Interesse interpretiere – egal, was die Absicht der/des Fragenden ist ;).
Taxifahrer:innen und Baristas – Mythen rund um die Geisteswissenschaften
Leider wird oft ein falsches Bild von der Zukunft von uns Geisteswissenschaftler*innen gezeichnet – Wir werden Taxifahrer:innen, stehen in der Schlange beim Arbeitsamt oder kriegen nur schlecht bezahlte Jobs – Barista bei Starbucks. Kann man nicht was “Richtiges” studieren? Oft hört man auch, dass wir nichts Vernünftiges machen, unser Studium nur ein “Laberstudiengang” sei und wir es deutlich entspannter hätten als Ingenieurs- oder Jura Studierende, Medizinier usw. Es ist, als ob es eine Hierarchie davon gäbe, was ein angesehener Studiengang ist und was nicht. Das ist schade, da ich denke, dass es doch vor allem beim Studieren um die eigenen Interessen geht, dass einem das Studium Spaß macht und man darin aufgeht. Das ist doch schon ein unglaublicher Wert!
Geisteswissenschaften studieren: Sicherheit und Vertrauen finden
Nun weiter zu den letzten Jahren und meinen Erlebnissen als Studentin der Geisteswissenschaften: Während und nach meinem Abi las und hörte ich viele dieser Sätze und Klischees, die ich oben aufgeführt habe. Deshalb schob ich schon bereits vor meinem Studium Panik, dass ich in mit dem Studium, dass ich beginnen würde, keine Arbeit finden würde. Stellt euch eine 19-Jährige vor, die frisch von der Schule kommt und nun zum ersten Mal sich wirklich Gedanken über ihre Zukunft macht. Ein 19-Jähriges Mädchen, das sich schon viel zu früh damit stresst, was es denn mal machen will. Das ihre ganze Existenz an einen Studiengang hängt. Dabei hatte sie ein unglaubliches Talent und Gefühl für Sprachen, Spaß an den Fächern Deutsch und Englisch, ja sogar beides als Leistungskurse gewählt. Es war doch genau das Richtige. Hätte dieses Mädchen gewusst, dass alles schon werden würde, der Stress ihr nichts gebracht hat und sie heute einen Blog zum Thema “Geisteswissenschaften studieren” macht? Wahrscheinlich nicht. Jetzt ist dieses Mädchen 27 und hat in den letzten Jahren Selbstsicherheit und Vertrauen in ihrem Studium gefunden. Und ich bin diesem Mädchen und der heute jungen Erwachsenen so dankbar, dass sie es trotz Zweifel, die hier und da aufkamen, durchgezogen hat.
Während meines Bachelors an der Universität Münster hielt ich mir noch die Option, Lehrerin zu werden, offen – einfach um mir die Sicherheit zu geben, in ein vorgelegtes Berufsfeld zu gehen. Hunderprozentig wollte ich dies aber eigentlich nie und Gott sei Dank merkte ich im Schulpraktikum im zweiten Semester, dass ich niemals an eine Schule gehen möchte, außer irgenwann mal zum Elternsprechtag meiner Kinder. Auch meine beste Freundin war ein guter Kompass, die mich immer wieder gefragt hat, ob unterrichten überhaupt meine Leidenschaft ist. Nein. Es waren die Fächer selbst: Englische Sprache, Literatur und Kultur, die mich faszinierten und dessen Auseinandersetzung, die einfach schon in der Schulzeit eine Leidenschaft für mich war. Wenn ihr merkt, dass euch – sei es Geschichte – Kunst – Kultur – diese Bereiche euer Herz höherschlagen lassen, dann tut euch selbst einen Gefallen und studiert auch nur das. Viel zu viele Menschen gehen den Weg des Lehramts, weil sie die Fächer interessant finden, vergessen aber, dass dies an der Schule zwar eine wichtige Voraussetzung ist, aber Lehrer:in sein noch so viel mehr bedeutet.
Tut das, wofür ihr brennt
Ich bin heute heilfroh für die Erfahrungen aus dem Schulpraktikum, den Rat meiner besten Freundin – dafür, dass ich doch immer auf mein Bauchgefühl gehört habe – getan habe, was ich wirklich will und was mir Spaß macht. Seit Beginn meiner Studienzeit sind bereits sieben Jahre vergangen und ich stehe in den letzten Zügen meines Masterstudiums. Schmunzelnd, aber auch mitleidig mit meinem damaligen 19-jährigen Ich blicke ich auf die Momente zurück, in denen ich mich selbst verrückt machte, dass mein Studiengang mich nirgendwo anders hinführt als in prekäre Jobsituationen.
Seinen eigenen Weg gehen
Das war übrigens nie meine eigene Stimme sondern auch Stimmen aus Familie, dem Bekanntenkreis oder wirklich Fremden, die mich verunsicherten. Sich jedesmal erklären zu müssen, dass man nicht Englisch und Deutsch studiert als Lehramtsfach sondern Anglistik und Germanistik als wissenschaftliche Fächer war irgendwann auch sehr anstrengend. In 90% der Fälle folgte auf meine Aussage, dass ich Anglistik und Germanistik studieren die Frage: “Auf Lehramt?”. Doch irgendwie ist alles besser geworden und ich gelassener. In den letzten Zügen meines Masters bin ich heilfroh, dass ich meinen eigenen Weg gegangen bin. Darüber, ob ich nach dem Master einen Job finde, mache ich mir überhaupt gar keine Gedanken. Zudem hat mein engster Freundeskreis nie diese Fragen gestellt oder irgendwas hinterfragt. Sie haben sich einfach nur mit mir gefreut, dass ich etwas studiere für das ich brenne.
Wenn ihr euch für ein geisteswissenschaftliches Studium entscheidet (oder schon entschieden habt), möchte ich euch allerdings ein paar Anreize und Ratschläge geben. Ihr habt etwas gefunden, das eure Leidenschaft ist und euch interessiert – toll! Damit fahrt ihr schon einmal gut. Wie wir wissen, ist das geisteswissenschaftliche Studium mit keinem klassischen Berufsziel verbunden. Man kann quasi alles und nichts damit machen, wie man oft sagt.
Berufserfahrung neben der Uni sammeln
Man kann tatsächlich unglaublich viel damit später machen und in so viele Bereiche gehen. Deshalb ist es schon wichtig, dass ihr euch wegen des Studiums ausprobiert und Praktika/Werkstudententätigkeiten macht. Manche geisteswissenschaftliche Studiengänge haben bereits ein Berufspraktikum (häufig im Bachelor) im Studienplan vorgesehen. Das ist ein super Möglichkeit ein Blick in die Jobwelt zu bekommen. Ich habe seit vor und während des Studiums verschiedenen Tätigkeiten gehabt, die alle mehr oder weniger mit meinem Studium sowie meinen Interessen verbunden waren:
– Praktikum bei einer Lokalredaktion
– Honorarkraft Schülerhilfe/Schulpraktikum
– Mitarbeit bei Studentenmagazin
– Tutorin für Deutsche Sprache und Kultur an der Uni Turku, Finnland
– Werkstudentin im Germanistischen-Institut der Uni Münster
– Pressepraktikum (Kreisgeschäftsstelle) bei einer Partei
– Pressepraktikum bei einer Tourismusfirma
– Praktikum im Bereich “Digitale Kommunikation” am Goethe Institut in Irland
Alle diese Tätigkeiten haben mir so unglaublich viel Klarheit bezüglich meines Berufswunsches gegeben. Ich merkte, dass besonders schreibende Tätigkeiten (Presse, Journalismus) mir lagen und Spaß machten. Bei den unterrichtenden Tätigkeiten merkte ich ebenfalls schnell, dass es mir nicht liegt Deutsche Grammatik zu erklären oder ich auch kein Gefühl von “Ja das ist es” hatte, als ich das erste Mal Unterricht vor einer Klasse gab. Gleichzeitig merkte ich aber, dass die Themen und die Sprache mir trotzdem Freude bereitete. Genauso wie das Halten von Vorträge über deutsche Kultur im Auslandssmester und das vorangegangene recherchieren dazu. Alle Erfahrungen – negativ und positiv – waren unglaublich wertvoll. Deshalb rate ich euch, euch einfach auszuprobieren und ruhig auch 1,2,3 Semester länger zu studieren, um euch die Zeit für Werkstudentenjobs/Praktika zu nehmen.
Für das Seitenwaelzer Magazin habe ich ein Interview mit Katja Wohlfeil, Studienberaterin an der Universität Düsseldorf, ein inspirierendes Gespräch zu dem Thema geführt, in dem sie Vorurteile wie diese nicht nur aus dem Weg räumt, sondern auch zeigt, dass uns Geisteswissenschaftler*innen viele Wege offen stehen. Katja hat Germanistik und Geschichte studiert und würde diese Entscheidung niemals anzweifeln. Sie ist eine dieser Menschen, die über beide Ohren strahlen, wenn sie von ihrem Studium erzählen. Hier geht es zum Artikel.